Das Leben ändert sich – Dynamik als Werkzeug

Ansteigender Pfeil aus Euro-Banknoten

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Ich hatte in der letzten Woche ein tolles Gespräch mit einem Freund, der (seine Worte) „endlich anfangen will, mal Geld anzulegen“. Er war sich soweit schon klar, in was er investieren möchte und wie lange. Einzig die Frage nach der Höhe, konnte er sich noch nicht beantworten, obwohl seine finanzielle und Lebenssituation auf den ersten Blick recht einfach aussieht. Mitte 20, erfolgreiches Studium hinter sich und seit 6 Monaten in einem tollen unbefristeten Arbeitsverhältnis. Finanziell steht er insoweit gut dar, als dass er eine günstige Wohnung hat, wenig laufende Kosten produziert und somit „einiges über hat“. Somit drehte ich das Gespräch erst einmal um sein Leben und erst im nächsten Schritt kamen wir auf das „Wieviel“ zu sprechen.

Wie vieles lässt sich auch das Leben…

…in verschiedene Abschnitte unterteilen. Erst einmal ist man damit beschäftigt auf den eigenen zwei Beinen zu stehen und durch das Leben gehen zu können. Schon findet man sich in der Schule wieder und wird je nach Verlauf bis zu 12 oder 13 Jahre, wie es so schön heißt, auf das Leben vorbereitet.

Dann startet der nächste Abschnitt, ob Ausbildung oder Studium, um dann ins Arbeitsleben überzugehen. Doch auch hier ist oftmals kein Stillstand. Die Arbeitsumgebungen ändern sich, je nach Branche sehr schnell und schon orientiert man sich um, ob innerhalb eines Unternehmens oder mit einem Job- und Arbeitgeberwechsel.

Auch das private Umfeld stagniert selten. Zu Beginn freut man sich aus dem Schulalltag raus zu sein. In den ersten Jahren ist oftmals die einzige „Sorge“, wo die nächste Party am Wochenende stattfindet und ob man genug Geld dafür hat. Ehe man sich versieht, hat man die erste eigene Bude. Meist gesellt sich schnell ein entsprechender Lebens(abschnitts)partner ein. Verkürzt kann man sagen, der Weg ist von der ersten gemeinsamen Wohnung rüber zur Heirat. Je nach Vorliebe kommt schnell die Familienplanung dazu, ob nun mit einem oder mehreren Kindern, einem Haustier oder bis hin zu den eigenen vier Wänden in Form von Wohneigentum. Dann sind die Kinder irgendwann in der Schule und man steht als Eltern vor der Herausforderung die Kleinen zu unterstützen. Das Ende vom Lied, unser Eintritt ins Rentenalter und den verdienten Ruhestand können wir nur auf Basis heutiger Werte versuchen erahnen.

Auswirkungen auf die Finanzen

Das alles wirkt sich auch auf unsere finanzielle Situation aus, die sich mit jeder Gegebenheit verändert und mit jedem Ziel neu gedacht und bewertet werden muss.

Ist unsere erste Sorge um die nächste Party noch eine der einfachen, wird es spätestens ab der ersten eigenen Bude und dem Zusammenziehen schon schwieriger. Die Familiengründung und die Anschaffung von Wohneigentum steigert die Komplexität dann noch mal um ein Vielfaches. Erst mit dem Ruhestand wird es dann wieder einfacher. Gut vielleicht ist das eine oder andere Enkelkind (wünschenswerter Weise) da, um das man sich mitsorgen darf.

Was hat das mit dem Vermögensaufbau zu tun?

Eine Menge, denn je nach Lebensabschnitt ändert sich auch die finanzielle Situation. Gerade wenn man am Anfang steht, ist diese evtl. noch nicht komplex: man wohnt ggf. noch zu hause, hat zwar nur ein geringes Ausbildungseinkommen, dem jedoch auch sehr geringe Kosten gegenüberstehen können. Ab der ersten eigenen Wohnung wird es schon schwieriger, die Kosten steigen, das Geld in der Tasche nicht unbedingt. Später ist man gefestigt im Job, das Geld angestiegen und damit auch die Ausgaben und Ziele. Vom Zusammenziehen über Heirat bis ggf. zum Wohneigentum steigt somit auch die finanzielle Komplexität und das nicht unbedingt im gleichen Maße wie das Einkommen.

Man ist also quasi gezwungen sich den Lebensumständen anzupassen, was auch die Finanzen betrifft.

Gerade beim Vermögensaufbau und der Absicherung wird in diesem Fall gerne das Thema Dynamik hochgeworfen und eingebracht. Ursprünglich war der Gedanke mittels der Dynamik insbesondere Preisschwankungen, die böse Inflation, abzufangen. Nicht selten hat man z. B. Versicherungsverträge gefunden, die einem angeboten haben, den Beitrag jährlich um XYZ % anzupassen. Also dynamisch Jahr für Jahr zu erhöhen. Natürlich auch mit dem Ziel das anzusparende Vermögen zu mehren.

Oftmals hat das jedoch den Pferdefuß, dass mit zunehmender Laufzeit des Vertrages die Beiträge überproportional ansteigen. Startet man einen Vertrag mit 100,00 € pro Monat, liegt man nach 20 Jahren schon bei über 250,00 € monatlicher Belastung, als gut 2,5x mehr – bei 30 Jahren wären wir schon bei über 410,00 € pro Monat.

Nun kann man sicherlich argumentieren, dass sich mit der Zeit und evtl. Jobwechseln auch die Gehalts- und damit Einkommenssituation ändert. Doch sollte man sich dabei ehrlich fragen, ob diese identisch zur Kostenstruktur ist. Die Erfahrung und Vergangenheitswerte zeigen, dass dieses selten der Fall ist. In den meisten Fällen ist es eher so, dass mit steigendem Einkommen auch die Ausgaben steigen und das meist stärker.

Fassen wir einmal zwischendurch zusammen: im Laufe der Zeit ändert sich die Finanzsituation. Hat man zu Beginn niedrige Einkünfte stehen diesen oft überschaubare Ausgaben gegenüber. Mit der Zeit ändert sich die Lebenssituation, sie wird komplexer und teurer. Hat man am Anfang zwar wenig Einkommen, ist das verfügbare Geld im Vergleich zu später u. U. deutlich höher. Mit der Zeit verkompliziert sich das Leben und auch die finanzielle Situation wird komplexer, so dass man davon ausgehen kann, dass das verfügbare Geld anteilig sinkt.

Wie kann man dem am besten begegnen?

Die Dynamik ist da ein guter Ansatz. Denn, wie oben beschrieben, kann ich damit meinen Vermögensaufbau steuern und an die Lebensumstände anpassen, ob als Gegenmittel gegen die Inflation oder als Hebel, um den Beitrag an meine neue, bessere Einkommenssituation anzupassen.

Doch warum die Dynamik nicht nur nutzen, sondern umkehren. Also statt z. B. jährlich 5% die Rate erhöhen, eine negative – wie ich es gerne nenne „reziproke“ – Dynamik anwenden?

Die Gründe sind recht einfach, dieses zu machen: wie oben geschrieben hat man am Anfang eine deutlich bessere Ausgangsbasis. Zwar ist das Einkommen sicherlich nicht das beste, doch die eigenen Kosten sind deutlich günstiger! Vielleicht hat man noch keine eigene Wohnung, die man unterhalten muss. Vielleicht hat man noch keinen 2- oder Mehr-Personen-Haushalt zu finanzieren. Vielleicht ist da noch kein Haus, kein Kind oder ähnliches, dass berücksichtigt werden muss.

Machen wir dazu mal eine Beispielrechnung

Als Ausgangsbasis möchte ich monatlich 100,00 € sparen. Das Ganze über 20.000 Jahre. Dabei möchte ich jährlich die Sparrate um 5% anpassen, also dynamisch erhöhen. Als durchschnittlichen Zinssatz setze ich 5% pro Jahr voraus.

Ergebnis bei normaler, positiver Dynamik

Nach 20 Jahren erhalte ich 62.289,32 €. Im 1. Jahr lag meine Rate bei 100,00 € pro Monat und am Ende im letzten 20. Jahr bei 252,70 €. In Summe habe ich gut 39.679,00 € eingezahlt und 22.610,00 € an Zinsen erhalten.

Ein wirklich gutes Ergebnis!

Nun drehe ich das um, in dem ich sage, statt 100,00 € gehe ich monatlich mit 252,70 € in das Rennen. Jedes Jahr reduziere ich die Rate um 5%, also nutze eine negative Dynamik.

Ergebnis bei reziproker, negativer Dynamik

In diesem Fall erhalte ich am Ende 71.472,54 €. Ein PLUS von gut 9.182,68 €! Das Ergebnis setzt sich aus 38.906,55 € eigenen Zahlungen (was ca. 790,50 € weniger an eigenem finanziellen Aufwand ist) und erhalte dennoch 32.566,00 € Zinsen, fast 10.000,00 € mehr als im 1. Beispiel!

Da 20 Jahre vielleicht ein etwas kurzer Horizont ist, rechnen wir das mal fix mit 30 Jahren Spar- und Anlagezeitraum durch.

Bei normaler Dynamik (5% pro Jahr) kommen wir bei gleicher Ausgangsbasis bei 152.194,11 € raus und einer monatlichen Rate von 411,61 € pro Monat im 30. Jahr.

Bei negativer Dynamik (-5% pro Jahr) starten wir bei gleicher Ausgangsbasis mit 411,61 € pro Monat und erreichen ein Vermögen in Höhe von 208.367,34 € – einem PLUS von 56.173,23 €! Im letzten Jahr zahlen wir nur noch knapp 93,00 € pro Monat ein.

Die Gründe…

… sind ganz einfach: Allen voran schlägt der Zinseszinseffekt positiv zu Buche! Je eher und je mehr ich am Anfang quasi „reinbuttere“, je länger hat dieses Geld Zeit Zinsen und damit Zinseszinsen abzuwerfen. Rund 250,00 € im 1. Monat zu investieren und 20 Jahre für sich arbeiten zu lassen, ist halt eine bessere Basis als 100,00 € und wirkt jährlich besser.

Der positive Nebeneffekt ist, dass man sich mit der Zeit entspart, was die monatliche Rate betrifft. So tut man mehr für seinen Vermögensaufbau und schafft sich im zunehmenden Alter zusätzliche Freiräume.

Alternative bei geringerem Einkommen

Nun sind obige Zahlen nur rein rechnerische Beispiele. Berechtigt kann man einwerfen, dass man gerade zu Beginn, z. B. in der Ausbildung oder im 1. Arbeitsjahr, nicht über diesen Freiraum verfügt, um so sparen zu können.

Hier kann die Durchschnittsmethode helfen. Dabei nimmt man die erste Rate zu Beginn und die Rate des letzten Jahres, summiert dieses auf und teilt die Summe durch Zwei. Diese Durchschnittsrate nimmt man nun für sein Sparen und Verzichtet auf irgendeine Dynamik.

Beispiel 1

Die Durchschnittsrate bei anfänglich 100,00 und zum Ende von 252,70 € ergibt 176,35 €. Nach 20 Jahren läge man bei 71.869,31 € . Rund 9.600,00 € mehr als bei positiver Dynamik und noch mal 400,00 € mehr bei negativer Dynamik.

Beispiel 2

Die Durchschnittsrate bei anfänglich 411,61 und zum Ende von 252,70 € ergibt 252,30 €. Nach 30 Jahren läge man bei 206.598,07 € . Rund 54.500,00 € mehr als bei positiver Dynamik und nur minimal, ca. 1.700,00 € weniger als bei negativer Dynamik.

Fazit

Die Dynamik ist ein mächtiges Instrument für uns zum Vermögensaufbau. Doch muss diese nicht zwingend klassisch, also pro Jahr und oben drauf, angewandt werden. Wie das obige Beispiel zeigt, ist der Mehrwert für einen auch nur begrenzt. Im Gegenteil, es kann sinnvoll sein, diese umgedreht anzuwenden, also höher reinzugehen und dann jährlich entsparen oder mit einem höheren Durchschnittswert.

Mit meinem Freund bin ich beide Alternativen durchgegangen und habe diese mit ihm durchgerechnet. Er hat sich an dem Durchschnitt orientiert, da er etwas „Puffer“ für ungeplante Ausgaben haben wollte.

Linksammlung

Zinsen berechnen – um es selber einfach mal durchzuspielen

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