Berater vs. Kunde

ausgestreckte Hand zum Handschlag

Lesezeit: ca. 7 Minuten

Letzte Woche hatte ich ein tolles Gespräch. Ein Freund von mir fragte mich, was ich von einem Angebot seiner Bank halten würde. Es ging um eine fondsgebundene Altersvorsorge.

Obwohl ich gegenüber Instituten und deren Angeboten extrem skeptisch bin, schaute ich mir das mehrere Seiten umfassende Dokument neugierig an. Schnappte mir schnell ein Blatt Papier und einen Stift, machte mir Notizen und um den noch einen draufzusetzen, bemühte ich noch Excel.

Meine Skepsis war berechtigt und mein Urteil fiel zerschmetternd aus: „Ganz ehrlich, ich halte nichts davon – schmeiße es weg und kümmere Dich lieber selber darum!“

Warum ich nichts davon halten würde, wollte er verständlicherweise wissen.

Berater sind Angestellte

Die Überschrift sagt es schon: die Berater eines Institutes, ob Bank oder Versicherung, sind sie in erster Linie Angestellte des Unternehmens. Was also einher geht mit ihrem Vorgesetzten und dem Unternehmen gegenüber verpflichtet. Als Angestellte haben sie zudem ein begrenztes Angebot, nämlich nur die Produkte, die ihr Unternehmen anbietet.

Institutionen haben fest definierte Produkte

Ob Bank oder Versicherung oder ähnliches, jedes Unternehmen hat seine eigene Produktpalette. Gerade Banken sind dort recht starr aufgestellt. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten haben sie ihr Angebot erweitert, durch Kooperationen mit z. B. Versicherungen, Bausparkassen oder auch Wertpapierabwicklern. Ein anderer Trend war, der Aufbau eigener Tochterunternehmen, um die Angebote abdecken zu können.

Dennoch bedeutet das für den Kunden, dass er bei seinem Institut nur die Produkte angeboten bekommt, die dieses oder seine Töchterunternehmen bzw. Kooperationspartner anbieten.

Kunde ist nicht gleich Kunde

Auch wenn Werbung & Co ein anderes Bild versucht zu vermitteln: nicht jeder Kunde ist gleich – einige, wenn nicht gar viele, sind gleicher!

Vom internen Bewertungsscore des Institutes über die SCHUFA bis zum subjektiven Nasenfaktor: was dem Kunden angeboten wird, ist von vielen Faktoren abhängig. Was bedeutet: ein Angebot sollte immer genau geprüft und verglichen werden, denn es wird nicht unbedingt das beste Angebot sein.

Zwei Beispiele dazu, die ich persönlich erleben durfte:

Als ich vor 4 Jahren angefangen habe mich mit Geldanlage und ETFs auseinander zu setzen, habe ich einen Termin bei meiner Haussparkasse gemacht. Nach einigen einleitenden Sätzen von mir (was ich machen will, welches Ziel ich habe und wie ich das umsetzen möchte, zudem sei mein SCHUFA-Score bei 98,9%, keine Schulden) meinte der Berater, dass es ihm leid täte, doch einerseits seien diese Vehikel (= Anlagearten oder Anlageobjekte) zu kompliziert und andererseits das Risiko für mich als Kunden zu hoch!

Vor gut 1,5 Jahren brauchte meine Frau einen kurzfristigen Kredit über 2.000 €. Ihre Bank lehnte ab, u. a. weil sie noch studiere und zudem kein Einkommen habe. Soweit war das nachvollziehbar und verständlich. Vor gut 7 Monaten hat meine Frau nicht nur ihr Medizinstudium erfolgreich beendet sondern auch ihren Doktortitel erhalten. Ein Job sollte noch gut 3 Monate auf sich warten lassen. Doch mit Erhalt des Doktortitels kam dieselbe Bank, dieselbe Bankberaterin, die nur kurze Zeit vorher einen kleinen Kredit abgelehnt hat, mit folgenden Dingen um die Ecke:

  • neue VISA-Kreditkarte – in Gold! Im Vergleich zur normalen ohne (!) Jahresgebühr und mit 5.000,00 € Verfügungsrahmen (die normalen haben meist „nur“ 1.000,00 € – 2.500,00 €)
  • automatische Einrichtung eines Dispokredites in Höhe von 6.000,00 €
  • Angebote für Kredite bis zu 10.000,00 € bei effektiven 1,99% Zinsen pro Jahr

Berater haben Vorgaben

Der erste, oben genannte Punkt deutet es schon an. Als Berater und damit Angestellter eines Instituts hat man Unternehmensziele und meist werden diese heruntergebrochen auf die einzelnen Mitarbeiter. Gerade Berater haben so klare, fix definierte Vorgaben, die sie zu erfüllen haben. Das geht von Kontoeröffnungen über Vertragsabschlüsse bis zu Provisionen bzw. Gebühren, die sie erwirtschaften müssen.

Das bedeutet, dass der Berater eines nicht ist, Berater. Er wird zum Verkäufer „degradiert“.

Dieses spiegelt sich dann auch bei den Angeboten den Kunden gegenüber wider.

Auch hier ein persönliches Beispiel: Mein Arbeitgeber zahlt vermögenswirksame Leistungen an die Angestellten. Da mir für 40,00 € pro Monat der Aufwand ein ETF-VL-Depot zu eröffnen zu groß war, habe ich mich für den Klassiker entschieden, einen Bausparvertrag.

Da ich damals wusste und auch immer noch weiß, dass ich nicht bauen will, wollte ich einen kleinen Bausparvertrag abschließen – Hauptsache die Kohle geht nicht verloren, auch wenn Geldanlage sicherlich anders geht. Also los zum Berater und schnell abschließen. Doch der hatte andere Ideen: mit einem Vortrag über Bausparen ging es los, wechselte in eine Vorteilsargumentation für Bausparen und endete in einem Angebot von 50.000,00 €!

Aus meiner Sicht: WHAT? Das Fünffache??? Wie lange brauche ich da, um 50% anzusparen?

Aus seiner Sicht: 1% Gebühr vom Abschlußbetrag in die Taschen der Bausparkasse – flotte 500,00 € statt 100,00 €! Dann kommt noch hinzu, dass ein Abschluss mehr auf seiner Liste steht und dem Berater eine eigene Provision in die Tasche fließt.

Ist also das „beste“ Angebot, eines im Sinne des Kunden oder eher im Sinne des Institutes?

Berater und Institut wollen Geld verdienen

Und damit sind wir auch schon beim nächsten Punkt. Einerseits will und muss das Unternehmen Geld verdienen – das ist ein einfacher wirtschaftlicher Fakt. Andererseits will natürlich auch der Berater sein Geld verdienen und verdient haben.

Beides sind legitime Punkte. Doch dadurch entsteht eine Art Interessenkonflikt. Der Berater ist angehalten, sowohl für seinen Arbeitgeber als auch für seinen Kunde das bestmögliche Angebot zum Abschluss zu bringen. Der Anreiz ist jedoch klar auf seiten des Unternehmens und damit auch beim Berater: gute Abschlüsse für das Unternehmen, bedeuten höhere Prämien für den Berater.

Denn beim vorher genannten Beispiel mit dem Bausparvertrag bedeutet das für den Kunden, dass er a) mehr als die Bausparsumme ansparen muss und b) trotz eh schon niedriger Zinsen noch mal ein ganzes Stück an Zinseszinsen verliert, da er mit Minus in das Sparen geht!

Am Ende heißt es dann verdienen am und Dank des Kunden!

(Fast) Nichts als Kosten!

Ein weiterer entscheidender Nachteil sind oftmals die Kostenstrukturen der Angebote. Die Institute müssen Geld verdienen, dieses tun sie auf vielen Wegen und ein Weg ist über die Kosten ihrer Angebote.

Ein Punkt sind die initialen Kosten, wie beispielhaft oben schon genannt. Viele Angebote beinhalten „Startkosten“. Diese kommen oft als einmalige Bearbeitungsgebühr getarnt daher. Ob wie oben bei einem Bausparvertrag gleich vom Start weg oder bei Anlageprodukten gestreckt auf die ersten 3-5 Jahre. Gerade letzteres ist ein großer Nachteil für den Kunden, dass so ein Teil des Zinseszinseffektes vernichtet wird.

Oft kommen auch jährliche Kosten dazu, wie z. B. für das Erstellen einer Übersicht oder bei Bausparverträgen die Bereitstellung eines Kontoauszuges. Dieses kann zwischen 10,00 € bis 100,00 € und mehr liegen – letztere Grenze kann variieren, da es Vermögensanlagen gibt, die Jahresgebühren aufgrund der Höhe des Vermögens ermitteln.

Ein anderer Punkt sind die laufenden Kosten, ob durch bspw. die Verwaltung des Vermögens oder auch die Investitionskosten, in dem Experten versuchen die besten Produkte zu erwerben und schlecht laufende Positionen zu veräußern. Diese senken den Anlagebetrag und sorgen für eine Brutto-Netto-Einzahlung. Viele Anlageprodukte verstecken so teils 2-3% Kosten, denn der Kunde spart zwar z. B. brutto 100,00 € monatlich in einem Vertrag, doch für die Vermögensanlage werden nur 97,00 € netto verwendet. Das mag auf den ersten Blick nicht tragisch wirken, doch das bedeutet am Ende, dass die Vermögensanlage bzw. das netto eingezahlte Geld wiederum mindestens 2-3% Rendite abwerfen muss, um diese Kosten zu decken. Rechnet man als Anleger nun noch die Inflation oben drauf – der Einfachheit halber wird von durchschnittlich 2% pro Jahr ausgegangen – muss die Anlage schon 4-5% Rendite pro Jahr abwerfen und man ist dann gerade mal auf „Null“. Möchte man als Anleger verständlicherweise auch noch eine vernünftige Rendite, denn da Geld soll sich ja nun mal vermehren, dann muss ein solches Anlageprodukt in Summe 8-10% Rendite abwerfen! Noch schlechter wird die Rechnung, wenn in den Produkten zusätzlich Transaktionskosten versteckt sind, wie es teilweise noch in fondsgebundenen Anlagen der Fall ist. Hier versuchen dann Experten gerne den Markt zu schlagen, was in der Regel heißt: schlecht laufende Positionen werden verkauft und gut laufende Positionen dann gekauft. Jeder Kauf und Verkauf sind Transaktionen und jede Transaktion kostet dem Institut Geld, dass es verständlicherweise auf den Kunden abwälzt. So kommen dann noch mal 1-2% an Kosten hinzu.

Klingt unglaublich? Ist jedoch oft so! Ich habe mir ein solches Ding leider mal anschwatzen lassen und mich glücklicherweise vor gut 1,5 Jahren davon getrennt. Im Rahmen einer betrieblichen Altersvorsorge hatte ich eine fondsgebundene Rentenversicherung eingezahlt. Das dicke Ende war: gut 10% der (perspektivischen) Anlagesumme wurden vorab abgezogen und über 5 Jahre gestreckt abgezogen. Des Weiteren kamen Transaktionsgebühren von 5% hinzu. D. h. der Fondsmanager wurde aktiv und hat schlechte Positionen verkauft und gut laufende nachgekauft. Nun muss man wissen, dass in meinem Produkt langlaufende Rentenpapiere mit einer Laufzeit von > 10 Jahren enthalten waren. Ein kurzzeitiges Tief dieser Papiere ist normal und kann vernachlässigt werden. Ein aktiver Eingriff durch Fondsmanager ist weder nötig noch ratsam. In Summe habe ich in den ersten 5 Anlagejahren knapp 20% Verlust eingefahren, die selbst bei Stilllegung des Vertrags (= einfrieren der angesparten Summe und keinerlei weitere Einzahlungen bis Vertragsende) nicht mehr abgefangen werden konnten.

Gibt es auch Positives?

Die Institute und Versicherungsgesellschaften haben in den letzten 12 Monaten gemerkt, dass sich die Anlagewelt und damit auch der Kunde verändert hat. Erste Versicherer bieten mittlerweile Produkte zu deutlich niedrigeren Kosten an und haben auch stark diversifizierte Anlageprodukte auf Basis von ETFs im Angebot. Auch Banken haben dieses erkannt und raten Kunden zumindest nicht mehr von Depots und ETFs ab.

Doch auch jetzt heißt es immer noch: Anfragen, Angebot einholen und vergleichen, vergleichen, vergleichen!

Außerdem gibt es sehr gute Alternativen, wenn man Beratung und Hilfe braucht, in Form von selbständigen unabhängige Finanz- bzw. Anlageberatern. Diese arbeiten auf Provisionbasis und werden daher für ihre Arbeit für den und von dem Kunden bezahlt.

Das Ende vom Lied

Meinem Kumpel habe ich abgeraten, dass Angebot in Erwägung zu ziehen. Stattdessen haben wir am nächsten Tag online ein Depot eröffnet und werden nach Erhalt der Zugangsdaten ein breit diversifiziertes ETF-Portfolio aufbauen.

Fazit

Bei Angeboten von angestellten Beratern sollte man sehr aufmerksam sein und Fragen stellen, die u. U. für den Berater sehr unangenehm sein können. Wichtig ist, sich die Kosten detailliert aufschlüsseln und verständlich erklären zu lassen! Denn nichts ins Schlimmer beim Vermögensaufbau als versteckte Kosten.

Dabei sollte wie so oft im Leben und bei Finanzfragen gelten:

„Was ich nicht verstehe, erwerbe ich auch nicht!“

Zu guter Letzt sollte man sich fragen, ob man das Ganze nicht ggf. auch selber bewerkstelligen kann.

Buchempfehlungen

Wenn man mehr zum Thema lesen möchte, hier zwei Empfehlungen.

Michael Ritzau – Die große Fondslüge

Obwohl aus dem Jahre 2016 ist es immer noch gültig und absolut lesenswert: Michael Ritzaus fundierte und leicht verständliche Abrechnung mit den Fonds!

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William J. Bernstein – The Investor´s Manifesto

William Bernstein hat mehrere sehr empfehlenswerte Bücher rund um Investitionen geschrieben. Dieses Buch wendet sich an den interessierten Einsteiger und bietet ein umfassendes Kapitel zum Thema Anlageberater.

Leider nur in Englisch und z. Zt. ausschließlich als ebook.

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