Jeder ist sicherlich schon mal über das Wort „Dynamik“ gestolpert, ob bei Verträgen oder Versicherungen. Insbesondere letztere in Form von vermögensbildenden Versicherungen haben oft mit der Beitragsdynamik geprotzt.
Doch was steht da eigentlich hinter?
Wie sinnvoll ist das?
Inhalte
Was bedeutet Dynamik?
Ursprünglich kommt der Begriff aus der Ecke der Physik und beschreibt den Einfluss der Kräfte auf die Bewegung von Körpern.
Im Umfeld der Finanz geht es eher um die aktive Anpassung von Beiträgen und damit dem Einfluss auf Vermögensziele.
So statten viele Anbieter Angebote mit einer Beitragsdynamik aus, um dem Kunden das Ansparen zu versüßen. Es wird meist damit geworben, z. B. klein anzufangen und so das Sparziel zu erhöhen. Oftmals wird die Dynamik aus als Trumpf gegen die ach so böse Inflation ins Spiel gebracht und damit dem potentiellen Käufer suggeriert, dass er mit einer Anpassung seiner Sparrate, z. B. jährlich um 5% die Inflation schlagen wird. Als wenn das nicht reicht, kommt dann auch noch das Spiel mit dem Zinseszinseffekt zum Tragen. Nicht selten wird damit geworben, dass eine Erhöhung Dank Dynamik dem Zinseszinseffekt in die Hände spielt und so am Ende deutlich mehr herauskommt.
Es fühlt sich für mich als Kunden doch auch toll an, wenn der Berater sagt:
„Fange mit 100,00 € pro Monat an. Nach einem Jahr erhöhst Du dann, automatisch durch die Dynamik um 5%. Was sind schon 5,00 € mehr?“
Wie weit denken wir bei Dynamik als Anleger?
Meistens nicht allzu weit. Vielleicht die ersten 3-5 Jahre, denn das ist überschaubar. Und dazu mal ehrlich, zwischen üblichen 4-6% Erhöhung durch Dynamik klingt nicht nach wirklich viel Geld.
An das Vertragsende, die letzten fünf Jahre, denkt meist keiner mehr. Doch genau darauf sollte man als Kunde besonders schauen. Gerade die Phase zum Vertragsende ist mit die wichtigste. Denn dort kommt das dicke Ende! Denn wenn wir nicht aufpassen, ist der monatliche Beitrag fix sehr hoch, je nach Laufzeit und Dynamik mal eben verdrei- bis -fünffacht, wenn nicht noch mehr.
Dynamik vs. Monatsbetrag
Eine 4% Dynamik bedeutet nach 19 Jahren Laufzeit eine Verdoppelung und nach knapp 29 Jahren eine Verdreifachung.
Eine 5% Dynamik hat den Betrag nach 16 Jahren verdoppelt, nach 24 Jahren schon verdreifacht und am Ende gar vervierfacht.
Eine 6% Dynamik ist noch fixer, nach 12 Jahren heißt es Verdoppelung, im 20. Jahr schon das Dreifache und keine 5 Jahre später schon viermal so viel und zum Ende, ab dem 29. Jahr dann 5x so viel!
Ein Vertrag mit 200,00 € monatlich bedeutet so am Ende mal eben zwischen mehr als 600,00 € bis hin zu fast 1.100,00 € Belastung im Monat!
Dynamik an einem Beispiel
Beginnen wir mit einem einfachen Beispiel, dass uns zur Veranschaulichung begleiten soll.
Wir nehmen mal an, dass wir monatlich 100,00 € auf einen Vertrag mit 30 Jahren Laufzeit einzahlen wollen. Der Vertrag ist mit einer Dynamik von 5% jährlich ausgestattet.
Im 1. Jahr zahlen wir nur 100,00 € pro Monat.
Im 2. Jahr ist es gerade mal 105,00 €.
Dann kommt Jahr 3 mit 110,35 €.
Soweit so gut. Doch schon im 15. Jahr der Laufzeit liegen wir bei fast 200,00 € pro Monat. Zum Laufzeitende sind wir dann locker über 400,00 € – also eine Vervierfachung!
Wenn wir unsere Annahme ergänzen und sagen, dass der Vertrag 5% Zinsen pro Jahr anwirft, ergibt sich am Ende der Laufzeit ein Sümmchen von: 152.194,11 €!
WOW! oder WOW?
Jupp, klingt super, so 152.000 €, oder? Doch weißt Du, ob Du in 25-30 Jahren dieses Geld, von rund 400,00 € jeden Monat, über hast?
Die Frage zum Zinseszinseffekt
Oben habe ich aufgeführt, dass Vertreter des bankfachlichen Verkäuferkunst, gerne anführen, dass mehr Einzahlen auch mehr Erhalten bedeutet und den Zinseszins ins Spiel bringen.
Wirkt sich das wirklich so positiv auf den Zinseszinseffekt aus?
Wie hoch ist der Zinseszinseffekt?
Bleiben wir bei dem oben genannten Beispiel, zeigt sich, dass in den letzten 5 Jahren im Schnitt gerade mal 500,00 € mehr an Zinsen jährlich entstehen. Dafür pumpt man jedoch gut 4.000,00 € – fast 5.000 € jedes Jahr in den Vertrag.
Betrachten wir das Zielszenario mal anders:
Im obigen Beispiel haben wir nach 30 Jahren 79.726,62 € an eigenem Geld eingezahlt. Den Rest haben die Zinsen beigetragen. Im Schnitt bedeutet die Einzahlungsumme, dass wir im Monat gerade mal 221,46 € über die Zeit aufgewendet haben. Dank Dynamik jedoch mit 100,00 € angefangen und mit über 400,00 € wiederum geendet haben.
Wie würde es sich verhalten, wenn wir den Durchschnittswert einzahlen?
Wir machen mal folgende Annahme: wir machen die Rechnung vorab, ermitteln den den Durchschnittswert, hier 221,46 € (ergibt sich aus 79.726,62 € / 360 Monate), und zahlen den in den Vertrag über die Laufzeit von 30 Jahren monatlich ein.
Die Endsumme lautet dann: 181.344,47 €! Rund 29.150,00 € mehr an Vermögen – Ein Plus etwas über 40%!
Warum?
Nun, hier greift der Zinseszinseffekt deutlich besser. Da die Einzahlungen gleich sind, fließt im Vergleich zum Dynamik-Beispiel von Anfang an mehr in den Vertrag. Jeder € mehr ab Start bedeutet auch, dass mehr verzinst wird – von Beginn an und mit jedem Jahr mehr! 121,46 € mehr (im Gegensatz zu 100,00 €) haben einen nicht zu verachtenden Effekt auf die Zinsen.
Eine andere (provokante) Alternative
Wenn man es auf die Spitze treiben will, kann man auch die „reverse Dynamik“ anwenden – zugegeben eine Idee und ein Begriff, den ich mir selber ausgedacht habe.
Wir rechnen das o. g. Beispiel. Doch statt mit 100,00 € anzufangen, nehmen wir den Beitrag des letzten Jahres und wenden die Dynamik von 5% umgekehrt an, also von -5%. Somit sparen wir anfangs mehr an, entlasten uns jedoch Jahr für Jahr.
Wir zahlen als 411,61 € monatlich in Jahr 1. Im 2. Jahr dann monatlich 391,03 € usw. Im letzten (30.) Jahr sind es dann nur noch gut 93,00 € pro Monat.
Das Ergebnis läge dann bei: 208.367,34 € – ein Plus von über 56.000,00 €! Also ca. 77,5% PLUS!
Spinnerei oder Ernst gemeint?
Je nach Lebenssituation halte ich das Umrechnen und den Durchschnittbetrag zu nutzen oder gleich eine reverse Dynamik anzuwenden für eine ernsthafte Alternative!
Wenn man jung ist, hat man noch deutlich weniger fixe Lebenshaltungskosten, kein Haus, keine Familie und mehr zu versorgen. Ja, Partytime ist super und soll sein. Dennoch, es ist einfacher.
Die Freiräume können, je nach Situation und Beruf, höher sein.
Mit dem Alter ändert sich das. Erste Wohnung, zusammenziehen, Familie gründen, Haus… damit steigen auch die Kosten.
Ich persönlich habe es so selber umgesetzt.
Randnotiz
Dieser Artikel ist sicherlich gar schwarz/weiß und das ist auch so gewollt. Mittlerweile bieten viele Anbieter neben der Dynamik zusätzlich an diese zu unterbrechen oder gar komplett rauszunehmen, auch noch nach Abschluss.
Dennoch zeigt die von mir bewusst gewollte Überzeichnung, dass Dynamik zwar gut, jedoch keine Wunderwaffe ist.
Es ist absolut sinnvoll mehr als nur einen Gedanken – auch in die Zukunft – zu werfen, wenn man sich mit dem Thema beschäftigt.
Fazit
- Dynamik ist sicherlich interessant und die Argumente wie Inflation nachvollziehbar
- Es sollte unbedingt die Laufzeit und damit die Abschlussraten im Auge behalten werden
- So schwarz/Weiß ist das o. g. nicht, denn es gibt immer die Option auf die Dynamik zu verzichten
- Der Effekt auf ein „Mehr“ an Vermögen und Zinseszins ist nicht gegeben, da zum Ende die hohen Beträge / Einzahlungen kommen
- Man sollte ernsthaft über die Optionen (mit Durchschnittsbetrag oder reverse Dynamik) nachdenken
- Reverse Dynamik ist eine Alternative!
Linksammlung
Dynamik (Wikipedia)
Sparzinsrechner inkl. Dynamik-Funktion (Zinsen-berechnen.de)
Downloadmaterialien
Excel-Tabelle zur Veranschaulichung oben genannter Beispiele